Sommer der Portraits
14. Oktober 2013Portraits,Advertising,Behind the Scene
Spannende Leute findet man überall. Gleich nebenan. Oben auf der Bühne. Hinter den Kulissen. Mitten in der Hauptstadt. Ganz weit draußen. Dort, wo man es schon ahnt. Und dort, wo niemand es vermuten würde. Zum Glück. Zum Glück für den, der gute Portraitfotografie mag. So wie ich.
Diesen Sommer kam sie wieder, die große Zeit der Portraits. Bundestagswahlen brauchen Köpfe, denn letztendlich werden die gewählt. Trotz aller Programmatik. Die Berliner CDU wollte ihren Leuten Alternativen zum Bundesauftritt bieten. Also haben sie bei mir angerufen. Weil wir uns schon kennen von den Wahlen 2009 und vom letzten Jahr hier in Berlin. Weil sie mit mir zufrieden waren. Weil sie das ausbauen wollten. Weil sie sich gute Portraits wünschten.
Eingeläutet wurde die heiße Phase an einem kalten Tag im Mai. Nass und stürmisch war es am Reichstag, gar kein Strahlewetter. Eine ungemütliche Herausforderung an alle Berliner Direktkandidaten und ihren Landesvorsitzenden Herrn Henkel, der einen halben Tag ausharren musste. Gegen Mittag regnete es so stark, dass auch mal ein Tropfen vom Jackett getupft werden musste. Wir pendelten zwischen zwei Sets mit meinem blauen Materialtransporter, hatten keinen Stromanschluss, dafür vier Akkublitzgeneratoren und so starke Böen, dass mittendrin ein Blitzschirm kapitulierte. Da musste ich tief in meine Motivationskiste greifen, alle Aufmunterungsreserven aktivieren, damit die Damen und Herren ihren Charme auch herauslassen konnten und die Laune auf Sommerniveau kam. Das hat bestens funktioniert, das war professionell, das sind schöne Bilder. Großes Dankeschön an alle vor und hinter der Kamera.
Weiter ging es mit Herrn Wegner, den ich schon seit 12 Jahren kenne. Er hat inzwischen so viel Grundvertrauen in meine Arbeit, dass wir auch mal etwas Ungewöhnliches, Neues, etwas Gewagtes ausprobieren können. Zusammen mit seinen tollen Wahlkämpfern waren wir ein kleines Dreamteam, hatten eine Superstimmung. Jeder half jedem und Herr Wegner packte mit an wie alle anderen. Das Wetter hatte sich gedreht, bis zu 35 Grad hatte es, als wir zur Havel, zu Siemens, nach Gatow und Kladow und wieder zum Reichstag zogen. Dazu war Barack Obama in der Stadt, so dass wir alles um die zahlreichen Absperrungen herum organisieren mussten. Was man kaum glauben mag: Sämtliche „Statisten“ auf den Plakaten stammen aus dem Familien- und Freundeskreis des Kandidaten. So steht er mit Frau und Sohn auf dem Spielplatz oder lässt sich vom Schulfreund des Sohnes den Reichstag erklären. Das war ein Shooting nach meinem Geschmack, da dürften ruhig jedes Jahr Wahlen stattfinden. Und das Ergebnis hat auch gestimmt: Herr Wegner zieht wieder in den Bundestag.
Schön ist es auch, wenn man an Orte gelangt, die dem Bürger normalerweise versperrt sind. Siehe das Portrait von Herrn Luczak auf dem Schöneberger Gasometer, wo er bei Kaiserwetter in luftiger Höhe herumspazierte. Er hat überhaupt keine Höhenangst, gegen die mein Assistent und meine Stylistin wacker angekämpft haben. Den anderen Teil seines Wahlkreises gewürdigt haben wir dann vor der Hungerharke in Tempelhof. Dr. Luczak und das Denkmal bilden ein durchaus staatstragendes Paar. Vielleicht hat auch dies dazu beigetragen, dass er seinen Wahlkreis erneut gewonnen hat.
Das Finale fand von Berlin aus gesehen dann wirklich „jwd“ statt. Am Vortag im Herzen des Ruhrpotts angelangt, haben wir erstmal die Locations abgefahren und die Aufnahmestandorte festgelegt. Herr Mißfelder erschien dann pünktlich und gut gelaunt um 11 Uhr vor dem Rathaus Recklinghausen. Das Bild spricht für sich. Weiter ging es zur Statue des Kiepenkerls in Waltrop. Kiepenkerle waren fahrende Händler, die ihre Waren in einem Korb (der Kiepe) auf dem Rücken transportierten. Die Nummer drei war der Förderturm der Zeche Erin in Castrop-Rauxel, ein Industriedenkmal, das für die ganze Region steht. So haben wir in nur vier Stunden einen Dreiklang aus aktueller Bedeutung, alter Handelstradition und jüngerer Technikgeschichte geschlagen, der Philipp Missfelder gut zu Gesichte steht. Auch er wurde direkt und zum dritten Male in den Bundestag gewählt.
Mein persönliches Fazit dieses politischen Sommers: Politiker sind nicht so ernst, sondern viel netter, offener und menschlicher als es der Außenstehende vielleicht denkt. Politiker haben ein Auge für Details und können gut improvisieren. Politiker sind Profis, wenn schlechtes Wetter aufzieht. Politiker geraten auch bei über 30 Grad selten ins Schwitzen. Politiker haben keine Angst vor dem Abgrund. Politiker wissen, was dort zählt, wo sie herkommen. Politiker sind einfach ideal, wenn man gute, wirkungsvolle Portraits machen möchte, die auch noch Spaß machen. Und dabei ist es eigentlich egal, zu welcher Partei sie – von extremen mal abgesehen – gehören.