Im Archiv entdeckt…….“ILA“


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7 Tage. 50.000 Bilder. Und 1 Gedanke.


Otto Bock Science Center
Otto Bock Science Center

Ein Kleid aus Muskelsträngen. Auf dem Dach das motorische und sensorische Homunculus-Paar. An der Fassade der nächtliche „Walker“, eine Inszenierung aus 15 Lichtpunkten, die den menschlichen Bewegungsablauf weithin sichtbar demonstrieren. So präsentiert sich das Science Center Medizintechnik, das die Otto Bock Healthcare 2009 zwischen Potsdamer Platz und Brandenburger Tor platzierte.

Ich hatte zunächst mit dem Innenleben, mit der Anatomie und dem Herzen dieses klugen weißen Würfels, zu tun. Und zwar ziemlich intensiv. Unter dem Motto „Begreifen, was uns bewegt“ zeigen multimediale Stationen und Installationen dem Berliner und Touristen spielerisch, wie komplex unsere Abläufe zum Beispiel beim Gehen oder Greifen funktionieren. Wie die Natur Otto Bock als Vorbild dient, um anspruchsvolle Medizintechnik für Behinderungen und vorübergehende Einschränkungen zu erforschen und zu entwickeln. Dafür habe ich 50.000 Bilder in einer Woche gemacht. Menschen beim Balancieren, beim Treppauf und Treppab, beim Gummi Twist, beim Papierfliegerwerfen, beim Geigespielen, beim Gewichtestemmen, beim Trampolinspringen, beim Werfen, Greifen, Hüpfen, Rennen, Schnipsen und beim Händeschütteln. Alles in allem etwa 60 Motive. Je Ablauf von A bis Z. Bei mir im Studio, mit der Digitalkamera vor Green Screen, 11 Bilder pro Sekunde, bis zu 120 Stück en suite, unter jeder Menge Heißlicht. Foto statt Video, weil wir eine hohe Auflösung brauchten, um auch über drei Monitore in der Ausstellung noch brillant zu sein. Verantwortlich für dieses virtuelle Erlebnis war die Berliner Art + Com. Die entstandene Inszenierung menschlicher Motorik kann man nun seit einem Jahr auf drei Etagen im Science Center sehen, bestaunen und mit den eigenen Händen und Füßen interaktiv begreifen und beschreiten. Das macht Kompliziertes wunderbar leicht, nimmt ganz allgemein die Scheu vor Handicaps, verdeutlicht, wie man vom natürlichen Vorbild zu hochfunktionellen Prothesen, Orthesen und Rollstühlen kommt und zeigt, dass erst durch diese Synthese paralympische Spitzenleistungen möglich werden. Unterm Strich sehr lehrreich, wirklich spannend, ein Genuss aus Wissenschaft, Technik und Medienkunst.

Und so anregend, dass mir der Gedanke kam, eine Frage von Sugimoto Hiroshi neu zu interpretieren: Wie viel Schärfe braucht eine Architekturfotografie? Kann die unscharfe Fassade den Charakter eines Gebäudes vielleicht sogar besser transportieren als der klassische Fokus? Reduziert der Dreh an der Linse das Haus auf das Wesentliche? Wissen wir mehr, wenn wir weniger sehen? Und wo ist die Grenze vom Foto zum Bild erreicht? Das „Muskelhaus“ von Otto Bock ist – siehe oben – ein gutes Exempel für diesen Gedanken, meine ich. Was denken Sie?