Politik ist ein Produkt, bei dem es zunächst auf die Verkäufer ankommt. Ein parteiübergreifendes Naturgesetz. Gut rüberkommen müssen die Damen und Herren auf ihrem Weg ins Abgeordnetenhaus oder die Bezirksparlamente. Die richtige Mischung aus Volksnähe, Würde des Amtes und persönlicher Note will getroffen sein. Dabei hat die Berliner CDU – unter anderem – an mich gedacht. Habe ich doch einmal einen Jungen, der dem Bundestagsabgeordneten Kai Wegener ins Ohr flüstert, so erwischt, dass sich das Motiv zum parteiinternen Klassiker entwickelt hat.
Jetzt hatte ich 30 Köpfe an einem Tag. 2856 Bilder bunt vor weißer Leinwand. Großer Aufbau mit Podest und Licht satt. Im Schaltzentrum der Partei. Die Schüsse für die Laternenplakate. Erst solo. Dann jeweils beim Shake Hands mit dem Spitzenkandidaten Frank Henkel. Da muss man aufpassen, dass sich keine Routine einschleicht. Öfter mal einen Spruch einstreuen, nicht zu kess, nicht zu smart, nicht zu brav. Und immer motivieren, wer lächelt schon gut im ersten Versuch. Und die Ungeduld der Kandidaten zügeln, wenn sie schon zum nächsten Termin flüchten wollen. Es war unruhig, es war laut, es musste schnell gehen – doch am Ende war die Serie perfekt. Die Resultate können sich berlinweit sehen lassen.
Dann hieß es: rein in die Bezirke. Zwei Herren mit allem Drum und Dran mitten in ihrem Wahlkreis. Bei Carsten Röding ist es Spandau. Bezirksbürgermeister möchte er werden, das Szepter vom Urgestein Konrad Birkholz übernehmen, daher das Motiv mit Staffelstab und Rathausturm für die heiße Phase. Zuvor aber die Familie, mein politisches Gesellenstück. Gut, dass er zwei tolle Kinder und eine freundliche Frau hat. Die haben sich nicht nur sofort zur Verfügung gestellt, sondern auch prima mitgespielt. Die Atmosphäre war leger und unaufgeregt, so dass sich die Bilder fast von selbst perfekt arrangierten. Die Tochter ist übrigens Profi durch und durch, er kann sie im Grunde gleich mit ins Rathaus nehmen. Und: Vielen Dank, Herr Röding, für das leckere Floriada-Eis!
Etwas komplizierter – eine Herausforderung – wurde es dann in Tempelhof-Schöneberg. Was nicht am Berliner Generalsekretär Bernd Krömer sondern an unserem Fotokonzept lag. Herr Krömer, noch Bezirksstadtrat, möchte das geschichtsträchtige Schöneberger Rathaus mit seinem berühmtem Balkon „ganz erobern“. Sich – wie Herr Röding an der Havel – zum Bürgermeister dieses Bezirkes mit den vielen Gesichtern wählen lassen. Herr Krömer weiß, was er will. Also sollte es ganz nach oben in den Turm mit der Freiheitsglocke gehen. Wir trafen uns an einem sonnigen Morgen, das Zeitfenster war bis zur BVV-Sitzung um 10 Uhr geöffnet. Alles ging gut bis zur dritten Etage. Dort nämlich endet der Rathausfahrstuhl. Weiter zu Fuß über äußerst schmale Stufen, was zu Schweißausbrüchen führte. Schließlich brauchten wir jede Menge zusätzliches Licht als Pendant zum hellen Vormittag und Eile war geboten. Nach 40 Minuten hatten wir Herrn Krömer drei Meter über dem Boden ganz lässig am Zifferblatt. Das Seitenlicht kam von der Lampe, die wir rechts von ihm per Maxi-Stativ auf sieben Meter geliftet hatten. Herr Krömer fand es klasse und ich kann mich ihm nur anschließen. Was übrigens nicht nur an der Hauptperson, sondern auch am Schöneberger Gasometer, der sich so fein ins Bild fügt, liegt. Ein wenig Zeit blieb noch für den Rudolph-Wilde-Park. Auch ein schönes Plakatmotiv. Man achte auf den goldenen Platzhirschen, der mit dem gesunden Selbstverständnis des Kandidaten perfekt korrespondiert.
Bleibt noch das Extra nur für mich. Nachdem die 30 Kandidaten in der Parteizentrale im Kasten waren, gab es einen speziellen Moment. Herr Henkel war noch da, das Podest auch und meine Idee, die eher ein Gefühl war. Er war einverstanden mit einem Solobild, einem Editorial exklusiv für den Fotografen. Der Tisch kam von rechts, jemand rückte eilig die Parteifahnen hinzu, und Frank Henkel stand. Und zwar so, wie er sich selbst sieht ohne jegliche Regieanweisung meinerseits. Dieses Bild gefällt mir persönlich. Weil es so herrlich zwischen staatstragend und improvisiert changiert. Weil es gewollte Größe mit kleinen Unzulänglichkeiten kombiniert. Weil es aus einem Moment heraus entstand und doch ewig so andauern könnte. Weil es vielleicht so, wie es scheint, auch wirklich ist und damit in etwa dem Charakter unserer Stadt entspricht. Weil es eben nicht perfekt für den Wahlkampf, sondern auch etwas unperfekt wie das Leben ist.